Das Rote Höhenvieh
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Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter
Haustierrassen e.V. (GEH)
Schwerpunkt - Rinder
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Das Rote Höhenvieh
Jörg Bremond, Alsfeld
Seit ältester Zeit muß man den mitteldeutschen Raum als Verbreitungsgebiet
eines einfarbig roten Rindes ansehen. Der Volksstamm der Kelten brachte dieses
Rind bei seinem Eindringen in Europa mit sich. Häufig findet man es in älterer
Literatur folglich auch unter der Bezeichnung "Keltenvieh". Die Art und
Weise der Landwirtschaft und der Tierhaltung ließ hier ein kleines,
widerstandsfähiges, robustes und dennoch leistungsfähiges einfarbig rotes Rind
entstehen.
Erst in der Mitte des letzten Jahrhunderts setzte eine züchterische
Bearbeitung ein. Man hatte erkannt, daß durch Auswahl guter Tiere zur
Vermehrung, sich die erbrachten Leistungen der Elterntiere auch in der
Folgegeneration erzielen ließen. Die Züchter versuchten ihr Glück durch
Einkreuzung allerlei fremder, offensichtlich besserer oder leistungsfähigerer
Tiere. Schon sehr bald mußte man erkennen, daß dieses Rezept nicht ohne
weiteres funktionierte. Die tierische Leistung war also auch ein Produkt seiner
Umwelt. Die eingeführten und eingekreuzten Tiere passten einfach nicht in die
kleinbäuerlich strukturierten Betriebe der deutschen Mittelgebirge.
Daraufhin begann man die Viehstämme aus sich heraus zu verbessern. Dies
führte gegen Ende des letzten Jahrhunderts zur Gründung von
Herdbuchgesellschaften in fast allen Zuchtgebieten dieser roten Rinder, also den
deutschen Mittelgebirgen, so auch im Jahr 1885 zur Gründung der
"Oberhessischen Herdbuchgesellschaft für Vogelsberger Rotvieh". Aus
dieser Zeit stammen auch die Begriffe wie "Vogelsberger",
"Waldecker", "Bayrisches Rotvieh", "Harzer Rotvieh"
oder auch "Odenwälder Rotvieh", um nur einige zu nennen. Als
Höhenrotvieh wurden diese Rassen oder Schläge unter einem Begriff
zusammengefaßt.
Man züchtete ein Rind, das unter den kärglichen Bedingungen der
Landwirtschaft in den Mittelgebirgen trotzdem eine respektable Milchleistung
erbrachte. Fast ebenso wichtig war die Zugleistung der Tiere, die ebenfalls
beachtet wurde. Daneben sollten die Tiere auch noch eine ansprechende
Fleischleistung erbringen.
Im Laufe der Jahre kam es jedoch immer wieder zu Einfuhren und Einkreuzungen
anderer Rassen (z. B. Fleckvieh, Frankenvieh) in alle Rotviehzuchten, die das dem
Höhenviehtyp zuzurechnende mitteldeutsche Rotvieh, ob nun Vogelsberger, oder
Waldecker, züchteten. Auch innerhalb dieser Züchterorganisationen kam es
regelmäßig zu einem Zuchttieraustausch.
Kriege und wirtschaftliche Einflüsse sorgten dafür, daß die Arbeit der
Züchter mal erfolgreich, mal weniger erfolgreich war. Dennoch konnte man ein
bodenständiges Rind züchten und erhalten, das den Anforderungen der Bauern in
den eher benachteiligten Mittelgebirgslagen entsprach.
Seit den 50er Jahren zeichnete sich jedoch eine sehr starke Umstrukturierung
der Landwirtschaft und damit auch der Tierzucht ab, die auch an den
Rotviehzuchten nicht spurlos vorbeiging. Die zunehmende Technisierung und
Motorisierung der Landwirtschaft, mit dem Traktor als äußerem und markantestem
Ausdruck, sorgte dafür, daß Landwirtschaft wesentlich intensiver betrieben
werden konnte und mußte als bisher. Dieser Schub an Leistungsfähigkeit, der nun
auch von der Tierzucht und damit auch vom Rotvieh gefordert wurde, war in kurzer
Zeit nicht durch züchterische Anstrengungen innerhalb der Rotviehschläge zu
realisieren. Man begann eine Verdrängungskreuzung mit Rindern der Rassen, die
optisch dem Bild des Rotviehs am ehesten entsprachen und in ihren Leistungen das
brachten, was der expandierende Markt für die tierischen Produkte Milch und
Fleisch forderte. Zu diesen Rassen zählten vor allem das Angler Rind, aber auch
das Rote Dänische (Milch-)Rind. Die Zugleistung der mitteldeutschen
Rotviehschläge, seit jeher eine der wichtigsten Leistungen dieser Tiere, war nun
nicht mehr gefragt, die tierische Leistung diesbezüglich war buchstäblich
wertlos.
Diese Entwicklungen führten dazu, daß die mitteldeutschen
Höhenrotviehschläge aller Zuchtgebiete nach und nach und fast unmerklich
verschwanden.
Erst zu Beginn der 80er Jahre machten sich einige Tierzüchter und Landwirte
Gedanken um den Erhalt dieser Rotviehschläge. In Gießen gründete sich ein
Arbeitskreis zur Erhaltung des Vogelsberger Rindes, jenes Schlages, der im
benachbarten Vogelsberg noch vor nicht allzu langer Zeit vorherrschend war.
Ernüchternd war die Suche nach "überlebenden" Tieren dieses Schlages.
Ca. 20 weibliche Tiere konnten gefunden werden, die jedoch keineswegs
reinrassige alte "Vogelsberger" waren. Ihr Genanteil belief sich auf
maximal 50 %, meistens jedoch auf 25 % und weniger.
Den entscheidenden Anstoß für den Beginn einer tierzüchterisch sinnvollen
Arbeit gab der "Fund" von Restspermaportionen eines reinrassigen Bullen
des alten Rotviehs. Die Zentralbesamungsstation in Gießen verfügte noch über
ca. 60 Portionen dieses Spermas und unterstützte fortan die Bemühungen des
Arbeitskreises. Durch Anpaarung an die interessantesten noch verbliebenen Kühe
konnten Tiere nachgezogen werden, deren rechnerischer Genanteil immerhin so hoch
lag, daß sich mit diesen Tieren erfolgversprechend weiterzüchten ließ.
Weiterhin konnten durch intensive Nachforschungen noch weitere weibliche Tiere
gefunden werden, die dem alten Rotvieh entstammten. Auch hier waren es keine
reinrassigen Tiere mehr, aber immerhin Tiere mit nennenswerten und nachweisbaren
Genanteilen alten Rotviehs. Die Zuchtbasis vergrößerte sich.
Zu dieser Zeit, im Jahr 1985, wurde aus dem Arbeitskreis nun der "Verein
zur Erhaltung und Förderung des Roten Höhenviehs e.V.".
Hätte man bis zu diesem Zeitpunkt noch von den "Vogelsbergern"
sprechen können, da alle Tiere aus dem ehemaligen Verbreitungsgebiet dieses
Schlages stammten, so stimmte das nun nicht mehr.
Auch in den anderen früheren Zuchtgebieten des alten Rotviehs wurde man
fündig, insbesondere im Harz und in Westfalen.
In diesen Zuchtgebieten war die Entwicklung ähnlich verlaufen wie im
Vogelsberg. Da jedoch deren züchterische Basis zu gering war, um ein ähnliches
Vorhaben wie in Hessen zu realisieren, konnten die interessanten Tiere
glücklicherweise in die hessischen Aktivitäten integriert werden.
Meistens wurden die Tiere nach Hessen verkauft. Spätestens jetzt ist der
Begriff "Vogelsberger" nicht mehr zutreffend, die Bezeichnung
"Rotes Höhenvieh" ist hier viel richtiger.
Sehr bald wurden jedoch Stimmen laut, die auf das Problem des starken
Inzuchtzuwachses in einer solch kleinen Population aufmerksam machten. Dieser
Tatsache begegnet man bisher durch den geringen aber gezielten Einsatz
genealogisch nahe verwandter Rassen in der Population des Roten Höhenviehs. Dazu
zählen vor allem die Gelbviehschläge, wie das Frankenvieh, das noch in großer
Zahl gezüchtet wird, aber auch das Lahnvieh. Das Lahnvieh ist eine bereits seit
längerem ausgestorbene Rinderrasse, die in der Gegend um Limburg/Lahn beheimatet
war. Verfügbar ist diese Rasse ebenfalls nur durch einen geringen Spermavorrat
eines Bullen in der Zentralbesamungsstation Gießen.
Nachdem sich die Population bis heute auf dieser Basis entwickeln und
konsolidieren konnte, steht die Frage der Nutzung der Tiere heute im Mittelpunkt
des Interesses.
Heute betreut der "Verein zur Erhaltung und Förderung des Roten
Höhenviehs e.V." ca. 230 weibliche Tiere, die von über 35 Züchtern
gehalten werden.
Der Ausblick in die Zukunft orientiert sich sehr stark an den
Einsatzmöglichkeiten des Roten Höhenviehs.
Dazu muß man sich das heutige Zuchtziel vor Augen halten, das abgeleitet ist
von dem Zuchtziel für das Rotvieh, wie es in der Vergangenheit formuliert wurde:
Zuchtziel ist ein einfarbig rotes bis rot-braunes Zweinutzungsrind im
mittleren Rahmen mit kurzem bis mittellangem Kopf, kurzem festem Hals, mit
ausgeprägter Wamme sowie tiefer Brust. Der mittellange und gerade Rücken sollte
eine gute Rippenwölbung bei tiefer Flanke zeigen.
Angestrebt wird eine volle Bemuskelung, kräftige feste Gliedmaßen mit
korrekter Stellung und dunklen harten Klauen. Das Flotzmaul und die Hörner
sollten hell, letztere mit dunklen Spitzen versehen sein. Die Schwanzquaste ist
hell.
Das Rote Höhenvieh soll sich besonders für die Haltung auf der Weide
eignen und auch in der Landschaftspflege verwendet werden können. Kühe und
Bullen sollen sich durch beste Fruchtbarkeit, hohe Widerstandskraft und
Vitalität auszeichnen. Bei guter Mast- und Schlachtleistung, insbesondere
Fleischqualität wird eine Milchleistung von 4000 kg aus dem Grundfutter bei 4,5
% Fett und 3,5 % Eiweiß angestrebt.
Das Gewicht der ausgewachsenen Bullen beträgt 750 - 950 kg, bei einer
Widerristhöhe von 135 - 145 cm. Das Gewicht der Kühe beträgt 550 -700 kg bei
einer Widerristhöhe von 130 - 140 cm.
Damit ist das heutige Rote Höhenvieh sowohl phänotypisch als auch in seinem
Leistungsspektrum beschrieben.
Bei der Nutzung der Tiere zur Milcherzeugung muß man nun berücksichtigen,
daß der betriebswirtschaftliche Erfolg nicht durch sehr hohe Einzelleistungen
der Kühe erzielt wird und auch gar nicht erzielt werden kann. Vielmehr sind es
besondere Bedingungen die hier dazu führen auch mit Rotem Höhenvieh ökonomisch
Milch erzeugen zu können.
Der bewußte Verzicht auf hohe Kraftfuttergaben, aber auch besondere
betriebliche extensive Fütterungs- und Haltungsbedingungen, die einen hohen
Kraftfuttereinsatz ausschließen, lassen dem Roten Höhenvieh Einsatz- und
Nutzungsmöglichkeiten. Hier ist es der Standort mit seiner betrieblichen Umwelt,
die einen Leistungsrahmen setzt, der mit dem genetischen Leistungsprofil des
Roten Höhenviehs genau ausgefüllt werden kann.
Immer mehr Züchter nutzen jedoch das Rote Höhenvieh in der Mutterkuhhaltung.
Auch hier steht der ökonomische Aspekt im Vordergrund.
Dabei besitzt das Rote Höhenvieh Eigenschaften, die seine Verwendung in der
Mutterkuhhaltung lohnenswert machen. Robustheit und Widerstandsfähigkeit seien
hier beispielhaft noch einmal erwähnt. Mit diesen Voraussetzungen läßt sich
ein Einsatz der Kühe auch unter stark extensivierten Fütterungs- und
Haltungsbedingungen verwirklichen. Dennoch sichert die genetisch veranlagte hohe
Milchleistung eine optimale Entwicklung der Saugkälber, die als Absetzer ein
qualitativ hervorragendes Produkt der Mutterkuhhaltung mit Rotem Höhenvieh
ergeben. Sowohl die Schlachtung, als auch die Weitermast der Absetzer kann unter
ökonomischen Gesichtspunkten durchaus positiv beurteilt werden.
Den Züchtern des Roten Höhenviehs ist es bisher sehr gut gelungen, die
Forderung nach dem Erhalt einer Rasse in ein wirtschaftliches Umfeld zu
integrieren. Ausgehend von den Leistungen der Rasse ist versucht worden, die
entsprechende betriebliche Umwelt zu suchen bzw. zu schaffen.
Bestrebungen der Extensivierung der Landwirtschaft auch im Zusammenhang mit
der Forderung nach Landschaftspflege und -schutz wirken sich hier durchaus
positiv aus.
Für die Zukunft des Roten Höhenviehs bedeutet es, die Zucht daraufhin
auszurichten, die genannten Merkmale in der Rasse zu manifestieren und eine
überlebensfähige Population zu erhalten, in der die wirtschaftliche Bedeutung
dieser Merkmale bewiesen und demonstriert werden kann. Eindrucksvoller kann der
Sinn und Zweck der Erhaltung des Roten Höhenviehs sicher nicht gezeigt werden.
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